Abschied vom Homo Alpinus. Zur Geschichte der Schweizer Rassenforschung in globaler Perspektive
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BORIS DOI
Date of Publication
2022
Publication Type
Book Section
Division/Institute
Editor
dos Santos Pinto, Jovita | |
Ohene-Nyako, Pamela | |
Pétrémont, Mélanie-Evely | |
Lavanchy, Anne | |
Lüthi, Barbara | |
Purtschert, Patricia | |
Skenderovic, Damir |
Subject(s)
Publisher
Seismo Verlag
Language
English
Description
Es gibt heute eine Tendenz, Rassismus als ein persönliches Defizit von Bildungsfernen darzustellen, die mangels besseren Wissens ihren Vorurteilen frönen.
Historisch ist das Gegenteil richtig: Rassismus basierte stets auf intellektuellen Konstruktionen, die in wesentlicher Hinsicht von Wissenschaftler:innen
und Gelehrten hervorgebracht, legitimiert oder umgesetzt worden sind. Dies gilt auch für die Schweiz: An Schweizer Universitäten spielten seit
dem 19. Jahrhundert Vorstellungen von Rassen eine bedeutende Rolle in vielen Bereichen der Humanwissenschaften. Ausgehend von der Disziplin
der physischen Anthropologie entwickelte sich ein eigenes interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsfeld, das sich auf Rassenfragen spezialisierte und
deshalb als Rassenforschung oder Rassenbiologie bezeichnet worden ist. Es wäre verfehlt, alle diese wissenschaftlichen Beschäftigungen mit Rassen als
rassistisch bezeichnen zu wollen, politisch harmlos waren sie aber in den seltensten Fällen. Indem Wissenschaftler:innen Bevölkerungen in Rassen einteilten oder bestehenden Einteilungen wissenschaftliche Autorität verliehen, trugen sie massgeblich zur Naturalisierung bzw. Rassifizierung sozialer Unterschiede bei und damit zu einem Prozess, der gesellschaftliche und politische Trenn- und Konfliktlinien verfestigte und verschärfte. Die Attraktivität des Rassenbegriffs speiste sich gerade daraus, dass er als Scharnierbegriff zwischen Wissenschaft und Politik fungierte (Schmuhl 2003). Einerseits hing die Rassenforschung in starkem Masse von der politischen Nachfrage nach rassischem Differenzwissen ab, andererseits trug sie zu dieser Nachfrage bei: Untersuchungen zu Rassen brachten Ordnungskonzeptionen hervor, die Horizonte bevölkerungspolitischen Handelns absteckten, staatlich-administrative Praktiken ermöglichten und Visionen imperialer Herrschaft befeuerten
Historisch ist das Gegenteil richtig: Rassismus basierte stets auf intellektuellen Konstruktionen, die in wesentlicher Hinsicht von Wissenschaftler:innen
und Gelehrten hervorgebracht, legitimiert oder umgesetzt worden sind. Dies gilt auch für die Schweiz: An Schweizer Universitäten spielten seit
dem 19. Jahrhundert Vorstellungen von Rassen eine bedeutende Rolle in vielen Bereichen der Humanwissenschaften. Ausgehend von der Disziplin
der physischen Anthropologie entwickelte sich ein eigenes interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsfeld, das sich auf Rassenfragen spezialisierte und
deshalb als Rassenforschung oder Rassenbiologie bezeichnet worden ist. Es wäre verfehlt, alle diese wissenschaftlichen Beschäftigungen mit Rassen als
rassistisch bezeichnen zu wollen, politisch harmlos waren sie aber in den seltensten Fällen. Indem Wissenschaftler:innen Bevölkerungen in Rassen einteilten oder bestehenden Einteilungen wissenschaftliche Autorität verliehen, trugen sie massgeblich zur Naturalisierung bzw. Rassifizierung sozialer Unterschiede bei und damit zu einem Prozess, der gesellschaftliche und politische Trenn- und Konfliktlinien verfestigte und verschärfte. Die Attraktivität des Rassenbegriffs speiste sich gerade daraus, dass er als Scharnierbegriff zwischen Wissenschaft und Politik fungierte (Schmuhl 2003). Einerseits hing die Rassenforschung in starkem Masse von der politischen Nachfrage nach rassischem Differenzwissen ab, andererseits trug sie zu dieser Nachfrage bei: Untersuchungen zu Rassen brachten Ordnungskonzeptionen hervor, die Horizonte bevölkerungspolitischen Handelns absteckten, staatlich-administrative Praktiken ermöglichten und Visionen imperialer Herrschaft befeuerten
File(s)
File | File Type | Format | Size | License | Publisher/Copright statement | Content | |
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Homo_Alpinus.pdf | text | Adobe PDF | 1.23 MB | published |