Anatomie und Physiologie der Seele bei Leonardo da Vinci
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BORIS DOI
Date of Publication
September 16, 2024
Publication Type
Book
Division/Institute
Publisher
Brill | Fink
Language
German
Publisher DOI
Description
Die vorliegende Studie bezieht ihre Motivation aus Leonardos anatomischem Werk, im Besonderen aus Kenntnissen und Vorstellungen, die dieser geniale Künstler, der sich „als Ingenieur und Techniker, als Architekt, Anatom und Astronom, als Physiker, Mathematiker, Geograph und Geologe [und] als Essay ist“1 präsentiert, von Aufbau und Funktion des zentralen Nervensystems hatte. Leonardos ‚Neuroanatomie‘ führt direkt zum Thema ‚Seele‘, denn diese liegt buchstäblich im Zentrum der von ihm dargestellten Hirnstrukturen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit Leonardos Seelenbegriff, die anatomische und physiologische Aspekte betont, fehlt aber bislang. Bei der Beschäftigung mit Leonardos seelischer Anatomie und Physiologie trifft man auf unterschiedliche Hypothesen und auch Spekulationen. Hier aus naturwissenschaftlicher Sicht das eine oder andere klarzustellen, ist eine weitere Motivation dieser Arbeit. Die „Dekonstruktion eines Mythos“2 bei Leonardo ist vor allem die Dekonstruktion zuweilen fast mythisch erscheinender Deutungen. Sie sollten stets auf ihren Kern zurückgeführt werden.3 Dabei sind sowohl die uns heute bekannten anatomischen und physiologischen Tatsachen zu berücksichtigen als auch diejenigen, welche Leonardo vor fand, kannte oder selbst entdeckte. Die langjährige Tätigkeit des Verfassens als Neurochirurg ermöglicht es ihm, einige Darstellungen zu korrigieren und bislang zu wenig gewürdigte Zusammenhänge zu erläutern, nicht zuletzt neuroanatomischen Belangen.4 Selbstverständlich wird Leonardos Seelen begriff nicht allein aus einem anatomisch-physiologischem Blickwinkel unter sucht, sondern die jeweiligen kulturgeschichtlichen und medizinhistorischen Bezüge werden angemessen aufgeführt und erörtert. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es zu zeigen, wie Leonardo die Seele aufgefasst hat; genauer: welche Rolle bei ihm der Seele im Körper des Menschen und des Malers zukam. Schon der Titel der vorliegenden Arbeit weist darauf hin, dass diese Rolle auf anatomischen Strukturen und physiologischen Abläufen gründet. Das wiederum ist Erbe der aristotelischen Naturphilosophie. Deshalb hat diese Arbeit auch zum Ziel, deren Grundlage darzustellen, soweit sie für den Seelenbegriff bei Leonardo von Bedeutung sind. Sie erläutert vor allem den für Leonardo zentralen Begriff des sensus communis und beschreibt seine Entwicklung. Gleichzeitig wird die anatomisch lokalisatorische Seite von Leonardos ‚Suche nach der Seele‘ aufgezeigt und ihre Verbindung zum mittelalterlichen Primat der Hirnkammern beleuchtet, zur sogenannten Cell Doctrine.
Für Leonardo war die Seele etwas Göttliches. Gleichzeitig war sie, in klarem Gegensatz zur kirchlichen Lehrmeinung, eine anatomisch lokalisiert Entität mit Strukturen und Werkzeugen, die aus heutiger Sicht in das Gebiet der Neuroanatomie und Neurophysiologie fallen, also Hirnkammern, Nerven und Übertragungsmechanismen. Diese ungewöhnliche Verbindung ergibt sich zum einen aus dem traditionellen anatomischen Wissen (Anatomie und Physiologie waren damals nicht getrennt), zum andern aus Leonardos Erkenntnissen, die immer wieder zum Bruch mit dieser Tradition führten, wenn er aristotelische Grundlagen überwand und eigenständige Position einnahm. Dennoch behielt das tradierte Wissen nicht selten die Oberhand. Leonardo war, wie Roeck es ausdrückt, „in vielem ‚mittelalterlicher‘, als populäre Vorstellungen von einem ‚Genie‘ wahrhaben wollen“.
Für Leonardo war die Seele etwas Göttliches. Gleichzeitig war sie, in klarem Gegensatz zur kirchlichen Lehrmeinung, eine anatomisch lokalisiert Entität mit Strukturen und Werkzeugen, die aus heutiger Sicht in das Gebiet der Neuroanatomie und Neurophysiologie fallen, also Hirnkammern, Nerven und Übertragungsmechanismen. Diese ungewöhnliche Verbindung ergibt sich zum einen aus dem traditionellen anatomischen Wissen (Anatomie und Physiologie waren damals nicht getrennt), zum andern aus Leonardos Erkenntnissen, die immer wieder zum Bruch mit dieser Tradition führten, wenn er aristotelische Grundlagen überwand und eigenständige Position einnahm. Dennoch behielt das tradierte Wissen nicht selten die Oberhand. Leonardo war, wie Roeck es ausdrückt, „in vielem ‚mittelalterlicher‘, als populäre Vorstellungen von einem ‚Genie‘ wahrhaben wollen“.
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