Kurt Marti (1921–2017). Predigt vom 9. Januar 1983 in der Nydeggkirche Bern
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BORIS DOI
Date of Publication
2025
Publication Type
Book Section
Division/Institute
Publisher
Chronos Verlag
Language
German
Uncontrolled Keywords
Description
Publizierte Predigten haben eine lange Tradition.1 Früh wurden Predigten von
herausragenden Kanzelrednern einzeln oder in Sammlungen veröffentlicht. Damit
sollte in der Regel die eigene Gemeinde, aber auch eine breitere, religiös interes
sierte Leserschaft angesprochen werden. Gedruckte Predigten ermöglichen, das
bereits Gehörte zu erinnern und Aspekte der Rede zur Kenntnis zu nehmen, die
beim ersten Hören nicht auffielen oder wieder vergessen gingen. Und wer die
Predigt nicht hörte, konnte sie später nachlesen.2 Publiziert wurden Predigten
aber auch als Muster, als gute und anleitende Vorbilder für Prediger und später
auch für Predigerinnen. Zudem sollten die Predigtsammlungen der Andacht im
Haus dienen. Es gab und gibt Sammlungen, die als «Breviere» für den täglichen
Gebrauch vorgesehen sind. Predigtsammlungen können thematisch ausgerichtet
sein3 oder in der Tradition der lectio continua stehen, der fortlaufenden Auslegung
eines biblischen Buches.4
Predigten als literarische Gattung sind voraussetzungsreich. Um sie angemessen
verstehen und würdigen zu können, ist es notwendig, den in ihnen vorausge
setzten und implizit oder explizit ausgedrückten Gottesglauben in Rechnung zu
stellen. Wesentlich für das Verständnis ist darüber hinaus der gottesdienstliche
Rahmen, in dem sie ursprünglich gehalten wurden. Dies ist im Protestantismus
insofern bedeutsam, als in diesem die Predigt das Zentrum des Gottesdienstes
1 Zur Predigt für einen Überblick: Albrecht Beutel, Heinz-Günther Schöttler, Albert Biesinger,
Udo Sträter: Art. Predigt, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 7 (2005), Sp. 45–96;
Hans-Joachim Klimkeit, Erhard S. Gerstenberger, Beate Ego, Hans-Theo Wrege, Laurence
Brottier, Isnard W. Frank, Gottfried Bitter, Albrecht Beutel, Friedrich Wintzer: Art. Predigt,
in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 27 (1997), 225–330; Hans-Martin Müller: Homiletik.
Eine evangelische Predigtlehre, Berlin, New York 1996, 7–169 (Geschichtlicher Teil).
2 Dies ist besonders dann der Fall, wenn Predigten einzeln und kurz nach deren mündlichem
Vortrag veröffentlicht werden. Als Beispiel eine Predigt von Eduard Thurneysen: Bettag
1945. Predigt über Matthäus 5,2–3, gehalten am Bettagabend im Münster zu Basel von Pfr.
Eduard Thurneysen, in: Basler Predigten. Eine monatliche Predigtfolge, hg. von Pfr. Eduard
Thurneysen, Pfr. Walter Lüthi, Basel, Jg. 9, Nr. 6, Oktober 1945.
3 So etwa die Sammlung der Predigten, die Kurt Marti zu seinem Abschied von der Nydegg
Gemeinde in Bern hielt und später publizierte: ders.: Schöpfungsglaube. Die Ökologie Gottes,
2. Auflage, Stuttgart 1985.
4 Ein aktuelles Beispiel für diese Gattung: Walter Dietrich: Gott, Macht und Liebe. Die Samuel
bücher heute predigen, Zürich 2024.– 7
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darstellt und stark mit den vorangehenden und folgenden Gebeten und Gesängen
verbunden ist. Der religiöse Kontext und der Verwendungszweck führten dazu,
dass die Predigt als Literaturgattung lange auch verschmäht war. Sie wurde als
religiöse «Verbrauchsliteratur» beurteilt, in der mit immer wiederkehrenden (reli
giös geprägten) Wendungen die gleichen religiösen Themen verhandelt würden
und die nur mit einem religiösen Zugang aufgeschlüsselt werden könne.5 Erst in
jüngerer Zeit werden Predigten auch als Zeitzeuginnen wahrgenommen, die auf
die spezifische religiöse Praxis einer Zeitepoche, aber auch auf gesellschaftliche,
wirtschaftliche oder politische Umstände hinweisen.6
Bis in unsere Gegenwart sind Predigten meist sorgfältig erarbeitete religiöse Re
den. Sie bilden das Herzstück reformierter Gottesdienste.7 Sie sind nach protestanti
schem Verständnis als öffentliche Reden konzipiert und werden als solche auch über
den Gottesdienst hinaus rezipiert. Dies gilt vor allem für Predigten, die auf wichtigen
Kanzeln während politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbruchzeiten gehalten
wurden. Dabei wird innerhalb und ausserhalb von Theologie und Kirche immer
wieder darüber debattiert, ob und in welcher Weise virulente gesellschaftliche und
politische Themen in der Predigt angesprochen und verhandelt werden sollen.8 In
Kriegs- und Krisenzeiten stellen sich diese Fragen verschärft.
Der vorliegende Band enthält reformierte Kanzelreden prominenter Predigerin
nen und Prediger der letzten zwei Jahrhunderte. Sie greifen aktuelle gesellschaft
liche Krisen, Umbrüche und Debatten offensiv auf und beziehen im Gespräch,
oft im Ringen und manchmal auch im Widerstreit mit biblischen Texten und dem
Symbolsystem des christlichen Glaubens, eigene Positionen. Dies erfolgte ursprüng
lich im religiösen Rahmen des Gottesdienstes und adressierte auch die individuelle
Frömmigkeit der Zuhörer:innen. Das Ansprechen politischer Themen ihrer Zeit
steht dazu nicht im Widerspruch, sondern fügt sich, wie die folgenden Beispiele
5 Vgl. dazu Rudolf Lenz: De mortuis nil nisi bene? Leichenpredigten als multidisziplinäre
Quelle unter besonderer Berücksichtigung der historischen Familienforschung, der Bildungs
geschichte und der Literaturgeschichte, Sigmaringen 1990.
6 Vgl. als Beispiel Tobias Braune-Krickau, Christoph Galle (Hg.): Predigt und Politik. Zur Kultur
geschichte der Predigt von Karl dem Großen bis zur Gegenwart, Göttingen 2021 (Tagungs
band 2018).
7 Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) und gemäss der Konstitution «Sacrosanc
tum Concilium» von 1963 ist die Predigt auch für den römisch-katholischen Messgottesdienst
vorgesehen und wesentlicher Bestandteil des sogenannten Wortgottesdienstes. Zentrum und
Höhepunkt der Feier ist und bleibt jedoch die Eucharistie.
8 Vgl. dazu Sonja Keller (Hg.): Politik in der Predigt. Lebensweltbezug und politische Rede in der
Predigt, Leipzig 2017; Katrin Kusmierz, David Plüss (Hg.): Politischer Gottesdienst?!, Zürich
2019.– 8
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ansatzweise zeigen, meist organisch in den liturgisch-religiösen Rahmen ein und
erhält durch diesen einen Resonanzraum, der einer Publikation fehlt.
Der Zeitraum von der Helvetik bis heute ist darum von besonderem Interesse,
weil sich in ihm vielfältige Krisen und Kriege sowie Debatten und Umbrüche er
eigneten, die Schweiz als liberaler Bundesstaat entstand, Theologie und Kirchen
immer wieder tiefgreifend in das Zeitgeschehen involviert waren, sich die Zuord
nung von Kirche und Staat wie auch das Verhältnis der Geschlechter grundlegend
umgestalteten und die Säkularisierung in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und
Formationen voranschritt.9 In diesem Zeitraum wurden Predigten gehalten, welche
die Vielfalt möglicher gesellschaftlich-politischer Bezugnahmen aufzeigen, die In
halte und Rhetoriken der jeweiligen Epoche spiegeln und in denen einschneidende
religionskulturelle Transformationsprozesse sichtbar werden, etwa in Bezug auf die
religiöse Grundierung von Heimat und (nationaler) Identität oder hinsichtlich des
Verhältnisses von Tradition und Fortschritt.
Die vorliegende Auswahl ergab sich im Gespräch der Herausgeber und der
Kommentator:innen. Auch der Zufall spielte eine Rolle: So konnten vorgesehene
Predigten – insbesondere solche von Frauen – nicht aufgenommen werden, weil
sie nicht zugänglich waren. Um den Rahmen handhabbar zu halten, haben wir
uns auf deutschschweizerische, reformierte Predigten beschränkt. Es liegen jetzt
17 Predigten im genannten Zeitrahmen vor. Jeder Predigt geht eine kurze Einlei
tung voraus, welche die Profile der Prediger:innen skizzieren und den historischen
Kontext ansprechen. Ein gründlicher historisch-kritischer Kommentar ist indes
nicht intendiert.10
Wir erhoffen uns, mit diesem Band ein dreifaches Ziel zu erreichen: Die abge
druckten Predigten sollen exemplarische Einblicke in die anregende Vielfalt der
Rede- und Literaturgattung Predigt seit der Aufklärung vermitteln. Ihr reichhal
tiger, differenzierender und kraftvoller Umgang mit gesellschaftlich relevanten
Themen soll sichtbar werden. Zudem würden wir uns freuen, wenn es gelänge,
die bewegten zwei Jahrhunderte über die besondere exemplarische Perspektive
der Predigten ins Blickfeld zu rücken.
9 Für einen ersten Überblick können dienen Volker Reinhardt: Die Geschichte der Schweiz.
Von den Anfängen bis heute, München 2011, 309–479; Thomas Maissen: Geschichte der
Schweiz, Baden 2010, 155–324 (6., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019); Rudolf
Pfister: Kirchengeschichte der Schweiz. Dritter Band (von 1720–1950), Zürich 1984, 127–425;
Lukas Vischer, Lukas Schenker, Rudolf Dellsperger (Hg.): Ökumenische Kirchengeschichte der
Schweiz, Freiburg Schweiz, Basel 1994, 2., korrigierte Auflage 1998, 209–314.
10 Die abgedruckten Predigten folgen den Typoskripten oder Erstdrucken. Die Seitenzahlen des
Originals sind in den Text zwischen zwei Strichen || eingefügt.– 9
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Die Predigttexte haben wir wörtlich von Drucken, Typoskripten oder Manus
kripten sowie aus Editionen, sofern vorhanden, übernommen. Wenige Kor
rekturen sind in eckigen Klammern eingefügt. Über den Predigten haben wir
einheitlich einen redaktionellen Titel mit der Angabe des biblischen Predigttextes
gesetzt. Das Titelblatt oder die Angaben zur Primärquelle sind mit einer Fussnote
angefügt. Der Text beginnt dann mit der ersten Seite des Quellentextes. Typo
grafische Hervorhebungen haben wir übernommen und kursiv gesetzt. Auch der
Bibeltext wurde kursiv gesetzt, da er auch in den Quellen jeweils (typografisch
unterschiedlich) ausgezeichnet war. Die originale Paginierung ist in zwei senk
rechten Strichen angegeben.
Unser Dank gilt den Herausgeber:innen der Reihe Schweizer Texte, Neue Folge
des Chronos-Verlags, die einen solchen Band mit Predigten vorgeschlagen haben.
Wir danken den Kommentator:innen für die Einleitungen und auch für Predigt
vorschläge. Den Betreuer:innen des Manuskripts und dem Chronos-Verlag danken
wir für die professionelle und sorgfältige Begleitung. Und schliesslich danken wir
Assistent Pfr. André Stephany und Hilfsassistentin stud. theol. Lena Bueche für die
Mitarbeit bei der Entstehung des Bandes herzlich.
David Plüss, Martin Sallmann
herausragenden Kanzelrednern einzeln oder in Sammlungen veröffentlicht. Damit
sollte in der Regel die eigene Gemeinde, aber auch eine breitere, religiös interes
sierte Leserschaft angesprochen werden. Gedruckte Predigten ermöglichen, das
bereits Gehörte zu erinnern und Aspekte der Rede zur Kenntnis zu nehmen, die
beim ersten Hören nicht auffielen oder wieder vergessen gingen. Und wer die
Predigt nicht hörte, konnte sie später nachlesen.2 Publiziert wurden Predigten
aber auch als Muster, als gute und anleitende Vorbilder für Prediger und später
auch für Predigerinnen. Zudem sollten die Predigtsammlungen der Andacht im
Haus dienen. Es gab und gibt Sammlungen, die als «Breviere» für den täglichen
Gebrauch vorgesehen sind. Predigtsammlungen können thematisch ausgerichtet
sein3 oder in der Tradition der lectio continua stehen, der fortlaufenden Auslegung
eines biblischen Buches.4
Predigten als literarische Gattung sind voraussetzungsreich. Um sie angemessen
verstehen und würdigen zu können, ist es notwendig, den in ihnen vorausge
setzten und implizit oder explizit ausgedrückten Gottesglauben in Rechnung zu
stellen. Wesentlich für das Verständnis ist darüber hinaus der gottesdienstliche
Rahmen, in dem sie ursprünglich gehalten wurden. Dies ist im Protestantismus
insofern bedeutsam, als in diesem die Predigt das Zentrum des Gottesdienstes
1 Zur Predigt für einen Überblick: Albrecht Beutel, Heinz-Günther Schöttler, Albert Biesinger,
Udo Sträter: Art. Predigt, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 7 (2005), Sp. 45–96;
Hans-Joachim Klimkeit, Erhard S. Gerstenberger, Beate Ego, Hans-Theo Wrege, Laurence
Brottier, Isnard W. Frank, Gottfried Bitter, Albrecht Beutel, Friedrich Wintzer: Art. Predigt,
in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 27 (1997), 225–330; Hans-Martin Müller: Homiletik.
Eine evangelische Predigtlehre, Berlin, New York 1996, 7–169 (Geschichtlicher Teil).
2 Dies ist besonders dann der Fall, wenn Predigten einzeln und kurz nach deren mündlichem
Vortrag veröffentlicht werden. Als Beispiel eine Predigt von Eduard Thurneysen: Bettag
1945. Predigt über Matthäus 5,2–3, gehalten am Bettagabend im Münster zu Basel von Pfr.
Eduard Thurneysen, in: Basler Predigten. Eine monatliche Predigtfolge, hg. von Pfr. Eduard
Thurneysen, Pfr. Walter Lüthi, Basel, Jg. 9, Nr. 6, Oktober 1945.
3 So etwa die Sammlung der Predigten, die Kurt Marti zu seinem Abschied von der Nydegg
Gemeinde in Bern hielt und später publizierte: ders.: Schöpfungsglaube. Die Ökologie Gottes,
2. Auflage, Stuttgart 1985.
4 Ein aktuelles Beispiel für diese Gattung: Walter Dietrich: Gott, Macht und Liebe. Die Samuel
bücher heute predigen, Zürich 2024.– 7
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darstellt und stark mit den vorangehenden und folgenden Gebeten und Gesängen
verbunden ist. Der religiöse Kontext und der Verwendungszweck führten dazu,
dass die Predigt als Literaturgattung lange auch verschmäht war. Sie wurde als
religiöse «Verbrauchsliteratur» beurteilt, in der mit immer wiederkehrenden (reli
giös geprägten) Wendungen die gleichen religiösen Themen verhandelt würden
und die nur mit einem religiösen Zugang aufgeschlüsselt werden könne.5 Erst in
jüngerer Zeit werden Predigten auch als Zeitzeuginnen wahrgenommen, die auf
die spezifische religiöse Praxis einer Zeitepoche, aber auch auf gesellschaftliche,
wirtschaftliche oder politische Umstände hinweisen.6
Bis in unsere Gegenwart sind Predigten meist sorgfältig erarbeitete religiöse Re
den. Sie bilden das Herzstück reformierter Gottesdienste.7 Sie sind nach protestanti
schem Verständnis als öffentliche Reden konzipiert und werden als solche auch über
den Gottesdienst hinaus rezipiert. Dies gilt vor allem für Predigten, die auf wichtigen
Kanzeln während politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbruchzeiten gehalten
wurden. Dabei wird innerhalb und ausserhalb von Theologie und Kirche immer
wieder darüber debattiert, ob und in welcher Weise virulente gesellschaftliche und
politische Themen in der Predigt angesprochen und verhandelt werden sollen.8 In
Kriegs- und Krisenzeiten stellen sich diese Fragen verschärft.
Der vorliegende Band enthält reformierte Kanzelreden prominenter Predigerin
nen und Prediger der letzten zwei Jahrhunderte. Sie greifen aktuelle gesellschaft
liche Krisen, Umbrüche und Debatten offensiv auf und beziehen im Gespräch,
oft im Ringen und manchmal auch im Widerstreit mit biblischen Texten und dem
Symbolsystem des christlichen Glaubens, eigene Positionen. Dies erfolgte ursprüng
lich im religiösen Rahmen des Gottesdienstes und adressierte auch die individuelle
Frömmigkeit der Zuhörer:innen. Das Ansprechen politischer Themen ihrer Zeit
steht dazu nicht im Widerspruch, sondern fügt sich, wie die folgenden Beispiele
5 Vgl. dazu Rudolf Lenz: De mortuis nil nisi bene? Leichenpredigten als multidisziplinäre
Quelle unter besonderer Berücksichtigung der historischen Familienforschung, der Bildungs
geschichte und der Literaturgeschichte, Sigmaringen 1990.
6 Vgl. als Beispiel Tobias Braune-Krickau, Christoph Galle (Hg.): Predigt und Politik. Zur Kultur
geschichte der Predigt von Karl dem Großen bis zur Gegenwart, Göttingen 2021 (Tagungs
band 2018).
7 Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) und gemäss der Konstitution «Sacrosanc
tum Concilium» von 1963 ist die Predigt auch für den römisch-katholischen Messgottesdienst
vorgesehen und wesentlicher Bestandteil des sogenannten Wortgottesdienstes. Zentrum und
Höhepunkt der Feier ist und bleibt jedoch die Eucharistie.
8 Vgl. dazu Sonja Keller (Hg.): Politik in der Predigt. Lebensweltbezug und politische Rede in der
Predigt, Leipzig 2017; Katrin Kusmierz, David Plüss (Hg.): Politischer Gottesdienst?!, Zürich
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ansatzweise zeigen, meist organisch in den liturgisch-religiösen Rahmen ein und
erhält durch diesen einen Resonanzraum, der einer Publikation fehlt.
Der Zeitraum von der Helvetik bis heute ist darum von besonderem Interesse,
weil sich in ihm vielfältige Krisen und Kriege sowie Debatten und Umbrüche er
eigneten, die Schweiz als liberaler Bundesstaat entstand, Theologie und Kirchen
immer wieder tiefgreifend in das Zeitgeschehen involviert waren, sich die Zuord
nung von Kirche und Staat wie auch das Verhältnis der Geschlechter grundlegend
umgestalteten und die Säkularisierung in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und
Formationen voranschritt.9 In diesem Zeitraum wurden Predigten gehalten, welche
die Vielfalt möglicher gesellschaftlich-politischer Bezugnahmen aufzeigen, die In
halte und Rhetoriken der jeweiligen Epoche spiegeln und in denen einschneidende
religionskulturelle Transformationsprozesse sichtbar werden, etwa in Bezug auf die
religiöse Grundierung von Heimat und (nationaler) Identität oder hinsichtlich des
Verhältnisses von Tradition und Fortschritt.
Die vorliegende Auswahl ergab sich im Gespräch der Herausgeber und der
Kommentator:innen. Auch der Zufall spielte eine Rolle: So konnten vorgesehene
Predigten – insbesondere solche von Frauen – nicht aufgenommen werden, weil
sie nicht zugänglich waren. Um den Rahmen handhabbar zu halten, haben wir
uns auf deutschschweizerische, reformierte Predigten beschränkt. Es liegen jetzt
17 Predigten im genannten Zeitrahmen vor. Jeder Predigt geht eine kurze Einlei
tung voraus, welche die Profile der Prediger:innen skizzieren und den historischen
Kontext ansprechen. Ein gründlicher historisch-kritischer Kommentar ist indes
nicht intendiert.10
Wir erhoffen uns, mit diesem Band ein dreifaches Ziel zu erreichen: Die abge
druckten Predigten sollen exemplarische Einblicke in die anregende Vielfalt der
Rede- und Literaturgattung Predigt seit der Aufklärung vermitteln. Ihr reichhal
tiger, differenzierender und kraftvoller Umgang mit gesellschaftlich relevanten
Themen soll sichtbar werden. Zudem würden wir uns freuen, wenn es gelänge,
die bewegten zwei Jahrhunderte über die besondere exemplarische Perspektive
der Predigten ins Blickfeld zu rücken.
9 Für einen ersten Überblick können dienen Volker Reinhardt: Die Geschichte der Schweiz.
Von den Anfängen bis heute, München 2011, 309–479; Thomas Maissen: Geschichte der
Schweiz, Baden 2010, 155–324 (6., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019); Rudolf
Pfister: Kirchengeschichte der Schweiz. Dritter Band (von 1720–1950), Zürich 1984, 127–425;
Lukas Vischer, Lukas Schenker, Rudolf Dellsperger (Hg.): Ökumenische Kirchengeschichte der
Schweiz, Freiburg Schweiz, Basel 1994, 2., korrigierte Auflage 1998, 209–314.
10 Die abgedruckten Predigten folgen den Typoskripten oder Erstdrucken. Die Seitenzahlen des
Originals sind in den Text zwischen zwei Strichen || eingefügt.– 9
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Die Predigttexte haben wir wörtlich von Drucken, Typoskripten oder Manus
kripten sowie aus Editionen, sofern vorhanden, übernommen. Wenige Kor
rekturen sind in eckigen Klammern eingefügt. Über den Predigten haben wir
einheitlich einen redaktionellen Titel mit der Angabe des biblischen Predigttextes
gesetzt. Das Titelblatt oder die Angaben zur Primärquelle sind mit einer Fussnote
angefügt. Der Text beginnt dann mit der ersten Seite des Quellentextes. Typo
grafische Hervorhebungen haben wir übernommen und kursiv gesetzt. Auch der
Bibeltext wurde kursiv gesetzt, da er auch in den Quellen jeweils (typografisch
unterschiedlich) ausgezeichnet war. Die originale Paginierung ist in zwei senk
rechten Strichen angegeben.
Unser Dank gilt den Herausgeber:innen der Reihe Schweizer Texte, Neue Folge
des Chronos-Verlags, die einen solchen Band mit Predigten vorgeschlagen haben.
Wir danken den Kommentator:innen für die Einleitungen und auch für Predigt
vorschläge. Den Betreuer:innen des Manuskripts und dem Chronos-Verlag danken
wir für die professionelle und sorgfältige Begleitung. Und schliesslich danken wir
Assistent Pfr. André Stephany und Hilfsassistentin stud. theol. Lena Bueche für die
Mitarbeit bei der Entstehung des Bandes herzlich.
David Plüss, Martin Sallmann
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